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“MUW” -so lautet der neue Name der alten Amtsrichtervilla an der Ecke Meeschenstraße/Kirchstraße. Diese Bezeichnung stand ursprünglich für “Musik und Wissenschaft”, doch die Bedeutung “Mal Unterricht (wo)anders” setzte sich durch. “Hier ist die Gelegenheit, den Unterricht mal anders zu gestalten”, erläuterte Heinrich Stolte den Begriff stellvertretend für Schulleiter Peter Stelter bei der Eröffnungsfeier des Gebäudes. Auch Johann Wimberg zeigte sich bei dem kleinen Festakt erfreut. “Wir weihen hier heute eine große Bereicherung für den Schulbetrieb im Landkreis Cloppenburg ein”, erklärte der Landrat. Das Bauwerk steht als neuer Bildungsort fortan sowohl dem Albertus-Magnus-Gymnasium als auch der Kreismusikschule zur Verfügung. Eine feierliche Schlüsselübergabe an Heinrich Stolte und Ulrich Schmidt (Kreismusikschuldirektor) mit Alt-und Neubau im Hintergrund fand statt. Dabei erhielt Heinrich Stolte einen hellen Schlüssel mit Holzband und der Aufschrift “Landkreis Cloppenburg”, welcher den modernen Bauteil des Gebäudes repräsentiert und Ulrich Schmidt einen dunklen Schlüssel mit rotem Band verziert, welcher für den historischen Teil steht.

Ein Gebäude mit wechselhafter Geschichte

Denn die Villa hat seit ihrer Errichtung im Jahre 1889 viel zu Gesicht bekommen und zählt zu den ältesten Gebäuden in Friesoythe. Damals wurde sie von Amtsrichtern des örtlichen Amtsgerichts genutzt. Als 1939 dann der 2. Weltkrieg ausgelöst wurde und im April 1945 die vollständige Zerstörung der Friesoyther Innenstadt durch kanadische Truppen erfolgte, bot die Amtsrichtervilla erstmal fünf (später noch vier) Familien Zuflucht, da sie größtenteils unversehrt geblieben war. 1947 bewohnten wieder Amtsrichter das Gebäude, bis der letzte Richter sich im Jahre 1973 in den Ruhestand begab und das Friesoyther Amtsgericht aufgelöst wurde. Daraufhin beherbergte das Bauwerk die Polizei, welche allerdings im Jahre 2018 in ein neues, moderneres Dienstgebäude am Grünen Hof umzog. Vielen ist die ehemalige Amtsrichtervilla auch bestimmt als damalige Polizeiwache bekannt. Bei der Einweihung des neuen Lernzentrums überreichten Jürgen Kuhlmann und Gerd Binder von der Polizei ein besonderes Geschenk – ein von Herrn Binder gemaltes Bild der alten Villa. Das Gebäude, welches zwischenzeitig sogar eine passende blaue Fassade besaß, wurde dann 2019 vom Landkreis Cloppenburg erworben und denkmalgerecht erweitert.

Warum sich der Umbau verzögerte

Der Architekt Michael Kramer beschreibt den Umbau der Villa als eine Herausforderung, da eine Verbindung des Gebäudes aus dem Jahre 1889 und einem Anbau aus dem Jahre 2006 mit der aktuellen Architektursprache geschaffen werden musste. Außerdem musste das fertige Bauwerk bestimmte Anforderungen erfüllen, um als Schulgebäude genutzt werden zu können. Im Frühjahr 2020 konnten die Kernsanierung und die Entkernung noch im dafür vorgesehenen Zeitraum abgeschlossen werden. Jedoch wurde der folgende Bauablauf durch die Corona-Pandemie stark beeinflusst. Quarantänezeiten von Mitwirkenden und Lieferengpässe sorgten für Verzögerungen und Baustillstände. Aufgrund von weiteren Terminverzögerungen bei den Rohbauarbeiten im April 2020 konnten beispielsweise Elektriker und andere Folgegewerke noch nicht beginnen und neue Termine mussten abgesprochen werden. Notwendige Vorgaben auf der Baustelle (Anzahl der Firmen und Mitarbeiter vor Ort) und Bestellungen, die verlängerte Lieferzeiten aufwiesen, beeinträchtigten die Arbeiten unter anderem. So potenzierten sich die Probleme im Laufe der Bauzeit. Auch das wechselhafte Wetter (selbst im Sommer), welches für zeitaufwendige Anstricharbeiten der Fassade des denkmalgeschützten Gebäudes sorgte, sowie ein Schimmelpilzschaden, dessen Abwicklung und Sanierung durch eine Sachverständige begleitet wurde, stellten große Schwierigkeiten dar. “Die geplanten Baukosten von 1,55 Millionen Euro haben wir etwas überschritten, insgesamt aber sind wir gut durchgekommen”, so Johann Wimberg.

Wie sich die neue Architektur erklären lässt

Hinsichtlich der Grundrissordnung wurden zwar kleine Eingriffe in den denkmalgeschützten Bereich des Altbaus vorgenommen, doch die alte Raumstruktur wurde weitestgehend beibehalten. Allerdings hatte das Denkmal durch seine Hochparterrelage keine barrierefreie Erschließung und auch keinen zweiten Fluchtweg. Ein Glas-Beton-Kubus bot da die geeignete Lösung, um die unterschiedlichen Ebenen zu verbinden und “in einem Schritt” eine barrierefreie Erschließung mittels Aufzug und eine zweite Fluchtmöglichkeit zu gewährleisten. Es wurde beachtet, dass das obere Kranzgesims des Altbaus nicht durch den ergänzten Glasbau verdeckt wird, sodass auch das alte Treppenhaus mit seinen Holztreppenläufen ganz erhalten blieb, nur lediglich die Geländerhöhe an die Schulanforderungen angepasst wurde. Das Treppenhaus mit Fahrstuhl bietet damit den Hauptfluchtweg und auch die Erschließung über alle Etagen. Durch dies und weitere kleine Aufbereitungen können die Schülerinnen und Schüler sich sozusagen auf eine Zeitreise begeben, indem sie beispielsweise den Wechsel von moderner Glasarchitektur mit Sichtbeton in einen 130 Jahre älteren Gebäudetrakt, der viele Details aus der früheren Zeit behalten hat durchlaufen, aber trotzdem auch die Nutzung eines Schulgebäudes nach heutigen Auflagen erleben.

So soll das neue AMG-Gebäude genutzt werden

An diesem Ort können sie sich in ihren Lerninteressen entfalten und ihre eigenen Lernschwerpunkte selber setzen. Dieses Selbstlernzentrum gewährt der Schülerschaft Freiraum und zahlreiche Möglichkeiten. In einem geräumigem SV-Büro im Obergeschoss können Pläne entstehen, die das Schulleben gut und abwechslungsreich gestalten. In dem im Jahr 2000 erstellten Anbau befinden sich ein etwa 52 m² großer Tuttiprobenraum sowie drei andere Registerprobenräume, die von der Kreismusikschule und den Bläserklassen des AMG genutzt werden. Auch der Übermittags- und Hausaufgabenbetreuung ist der Aufenthalt gestattet, genauso für kleine AGs oder für Sprechprüfungen. Platz haben ebenfalls ein kleiner Seminar-und Tagungsraum für Projektarbeiten und Fachräume für Fremdsprachen wie Englisch und Französisch. Wer einen ruhigen Rückzugsort zum Schmökern, entspannten Lernen oder zur Vorbereitung auf Schulprojekte bzw. Referate oder Facharbeiten sucht, ist in der Schulbibliothek der ehemaligen Amtsrichtervilla mit großer Leselounge herzlich willkommen. Somit soll die Bibliothek sowohl besonders ansprechend für die Oberstufe, als auch für die jüngeren Jahrgänge sein. Hier findet man bequeme Sessel, rote Polster und zahlreiche Bücher vor. Wirft man einen Blick auf die Bücherregale, so ist die bunte Vielfalt der Bücher sofort erkennbar. Alle sind bestimmten Genres untergeordnet: Sach-und Fachbücher, Fantasy, Abenteuer, Romantik, Historisch, FSK 16, Coming of Age, Comic bzw. Manga, Horror, Krimi, Comedy und Science Fiction. Angenehme Sitzflächen mit Kissen machen das behagliche Stöbern in den unterschiedlichen Geschichten noch gemütlicher. Eine Option spannenden Lesestoff zu spenden, ist ein Karton, welcher im Flur des Erdgeschosses von Gebäude vier steht.

…eine Hommage an das Lernen selbst und an unsere Schülerinnen und Schüler.“

-Peter Stelter (Schulleiter)

Insgesamt bietet die ehemalige Amtsrichtervilla, die heute ein moderner Bildungsort ist, Freiraum für die Schülergemeinschaft selber aktiv zu werden und eigene Lehrerfahrungen zu machen. Peter Stelter kann das neue AMG-Schulgebäude unter der Abkürzung “MUW” nur jeder Schülerin und jedem Schüler ans Herz legen, um dem Lernen auch auf eigenem Fuße Impulse zu geben: “…eine Hommage an das Lernen selbst und an unsere Schülerinnen und Schüler.”

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