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Zeitenwende! Ein Begriff, der im Februar von Bundeskanzler Scholz durch den Reichstag hallte. Er passt. Er beschreibt die Situation, in der wir leben. Eine neue Zeit. Ein neues Leben. Neue Herausforderungen. Doch durfte dieser Begriff erst nach Russlands Angriff auf die Ukraine fallen oder gab es zuvor bereits Zeitpunkte, wo man von einer Zeitenwende hätten reden können? Der Beginn der Fridays-For-Future-Proteste und dementsprechend die Anerkennung der Klimakrise oder auch der erste Lockdown im Jahr 2020 mit all seinen globalen Auswirkungen waren ebenso Zeitenwenden. Es geht um Herausforderungen, die nachhaltig die neue Generation treffen werden oder sie bereits getroffen haben. Die drängende Frage, die sich daraus ergibt, ist, wie man die Erwachsenen von morgen darauf vorbereitet.

Die Verantwortung für unsere zukünftigen Generationen tragen unsere Schulen, tragen deren LehrerInnen und dementsprechend könnte man fordern, dass die Schulen unsere Kinder auch auf diese Herausforderungen vorbereiten. Doch werden sie dieser Aufgabe gerecht? Auf unsere Frage, wie das niedersächsische Kultusministerium die Kinder auf die Probleme der Zukunft vorbereiten will, antwortete der Pressesprecher des niedersächsichen Kultusministeriums, Felix Thiel, dass dies vor allem mit der Priorität, Kinder zu selbstbestimmten, selbstkritischen und kritisch-mündigen Bürgern zu erziehen, gelingen soll. Daraus ergibt sich primär, ihnen die Fähigkeiten anzuerziehen, selber Strategien für die gegenwärtigen Herausforderungen zu entwickeln sowie die Problemstrukturen bereits selber zu erkennen, also keine vorgegebenen Denkmuster zu vermitteln.

Diese Kompetenzen sind zwar entscheidend für eine kompetente Gesellschaft, dennoch ist es genauso wichtig, dass sie konkrete inhaltliche Vermittlung der Probleme bekommen. Daher sollten sich der Politik-, Erdkunde-, Soziologie-, Philosophie- oder auch Werte-und-Normen-Unterricht mehr mit den Problemen der Zukunft beschäftigen und daraus folgernd, die Kompetenzen am lebenden Beispiel vermitteln. Dies ist insofern entscheidend, als dass Kinder über die Risiken der Zukunft aufgeklärt werden müssen, da dies auch entscheidend für ihren zukünftigen Lebensweg sein kann. Wie man mit diesen Problemen umgeht, beantwortet das Kultusministerium mit dem Fokus auf das Thema Demokratie und dessen Unterpunkte wie Rassismus, Hate Speech und Fake News. Aber auch daraus ergibt sich keine inhaltliche Konkretisierung der Probleme, sondern erneut eine Kompetenzbildung. Die Frage, warum eine inhaltliche Vermittlung nicht auf dem Programm steht, bleibt also unbeantwortet.

Die Probleme im deutschen Bildungssystem fangen eigentlich früher an.

Dafür muss man das deutsche Bildungssystem stark kritisieren. Und Mängel sind in diesem Bereich der Politik nicht neu. Seit Jahren sind wir in Pisa-Studien maximal oberstes Mittelfeld, wenn nicht schlechter, was angesichts unseres Lebensstandards, unserer Steuerausgaben und unserer wirtschaftlichen Stärke nicht akzeptabel ist. Unser Bildungssystem ist somit nicht auf dem Standard anderer Nationen wie Finnland oder Norwegen und genießt demnach auch nicht die Priorität, die sie haben sollte. Inwiefern die Ziele zur Bildung der SchülerInnen des Kultusministerium auch tatsächlich erfüllt werden, lässt sich also durchaus hinterfragen.

Des Weiteren sorgt unser Wirrwarr von 16 verschiedenen Bildungsformen und Abiturkompetenzen für Ungerechtigkeit innerhalb Deutschlands. Ein Abitur aus Bayern ist wesentlich anspruchsvoller als eins aus Niedersachsen, wofür die Schüler nichts können, sondern der Bildungsförderalismus.

Diese beiden Probleme müssen im Hinblick auf die anstehenden großen Herausforderungen angegangen werden. Die Qualität des Unterrichts muss steigen und einheitlich sein, denn unsere Probleme der Zukunft, wie beispielsweise der Klimawandel, sind international, nicht föderal. Einheitlichkeit sollte es daher auch im Bildungssystem geben. Zudem darf die inhaltliche Vermittlung nicht politisiert werden, es müssen die Herausforderungen klar als Herausforderungen benannt werden, denn verschiedene Parteien in Deutschland sehen beispielsweise den Klimawandel nicht so prekär wie andere. Dies muss klar festgestellt sein, aber zumindest wäre bei einem bundesweiten Bildungssystem nur eine Regierung dafür verantwortlich. Nicht 16 verschiedene.

Dies könnten also Eckpunkte sein, die reformiert werden müssten, um die Schüler auf die reale Zukunft vorzubereiten. Und dass dies derzeit besonders wichtig ist, macht die eigene Unterrichtserfahrung deutlich. Politik-LK, Jahrgang 13, Thema Terrorismus: Die SchülerInnen beschäftigen sich wochenlang mit grausamen Kriegen und den Konsequenzen. Mit Leid. Elend. Und keiner der behandelten Konflikte wie Syrien, Mali, Afghanistan und viele weitere gaben positive Aussichten für die Zukunft. Nachdem abermals in der aktuellen Politik, welche meistens am Anfang der Stunde kurz behandelt wird, schlechte Nachrichten auftraten, fragten sich die SchülerInnen, ob es überhaupt noch positive Nachrichten gibt.

Die Zukunft und die aktuelle Zeit machen SchülerInnen Angst. Aus einer Umfrage unseres 13. Jahrgangs, welcher in ein paar Monaten die Schule verlassen wird, ergab sich, dass ein Großteil der SchülerInnen Angst vor der Zukunft hat und sich von der Schule schlecht auf die Probleme der Zukunft vorbereitet fühlt. Hier würde eine inhaltliche Konkretisierung in der Auseinandersetzung mit den gegenwärtigen und kommenden Krisen ebenfalls nützen, da so den SchülerInnen durch Aufklärung Ängste genommen werden können und die Krisen rationalisiert werden.

Kann das BNE-Konzept greifen?

Hoffnung macht hier ein internationaler Reformansatz: Das Konzept der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Dieses sieht vor, dass in jeder Unterrichtsstunde Kompetenzen an die SchülerInnen vermittelt werden, welche die SchülerInnen auf die Gestaltung einer veränderten Welt vorbereiten sollen. Dabei sollen die SchülerInnen lernen auf die ökologischen, ökonomischen und soziologischen Probleme nicht mehr nur zu reagieren, sondern mehr zu agieren und Lösungsstrategien zu entwickeln. Dieses Konzept ging von den Vereinten Nationen im Herbst 2015 aus und findet inzwischen Platz in allen Lehrplänen in Niedersachen und Deutschland. Das Konzept umfasst 17 Ziele und fasst zusammen, in welchen Bereichen nachhaltige Entwicklung gestärkt und verankert werden muss. Hierzu zählen zum Beispiel nachhaltiger Konsum, nachhaltige Produktion, Menschenrechte oder Geschlechtergerechtigkeit. Diese Bildungsziele sollen bis 2030 erreicht sein.

Das durchaus positive Konzept findet seine Grenzen aber in der Umsetzung. Obwohl jede Schule dazu verpflichtet ist, dieses umzusetzen, gibt es natürlich unterschiedliche Ausprägungen von Schule zu Schule. Demnach werden nicht allen SchülerInnen von jeder Schule gleich gute Kompetenzen und Inhalte vermittelt bekommen. Hier müsste es also ebenfalls eine Vereinheitlichung geben, um Chancen und Bildungsgerechtigkeit zu garantieren.

Aus diesen Punkten lässt sich ein kritisches Fazit ziehen. Das niedersächsische und vor allem föderale Bildungssystem bereitet seine SchülerInnen nicht gut genug auf die Probleme der Zukunft vor. Es braucht Reformen. Es braucht Einigkeit, damit in Zukunft auch Recht und Freiheit gegeben sind und die Generation, die an all den Krisen keine Schuld trägt, nicht den Preis zahlen muss. Ein Konzept wie das der Bildung für nachhaltige Entwicklung kann junge Menschen positiver auf die Zukunft stimmen, damit dies gelingt, muss hier aber mehr Verbindlichkeit in der Verankerung der BNE-Ziele in den Lehrplänen hergestellt werden. Letztlich liegt die Lösung der nachhaltigen Krisen, wie dem Klimawandel oder auch, im Zuge des Kriegs in der Ukraine, dem Zuwachs an Macht für Autokratien, in der zukünftigen Generation und diese muss auf jene Krisen für die Zukunft vorbereitet werden.

Ein Gedanke zu „Es wird Zeit für eine Zeitenwende an den Schulen!“

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