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Die Bundestagswahlen am 23. Februar warfen für viele Erstwähler eine schwierige Frage auf – wen soll ich wählen? In der heutigen Medienlandschaft kann es nämlich anstrengend sein, herauszufinden, wofür eine Partei tatsächlich steht und was es bedeutet, sie zu wählen. Aus diesem Grund entschloss sich der Politik-LK der Jahrgangsstufen 12 und 13 dazu, eine Podiumsdiskussion mit politischen Vertretern aus der Region zu organisieren, um ein wenig Licht ins Dunkle zu bringen.
Am 15.01.2024 war es schließlich so weit, sechs Politiker verschiedener Parteien saßen gemeinsam auf der Bühne des Forums am Hansaplatz und diskutierten hitzig über das aktuelle politische Geschehen, sowohl innen- als auch außenpolitisch. Doch wie genau verlief die Organisation der Veranstaltung und wie schlugen sich die Anwesenden?
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1. – Organisation und Ablauf
2. – Themen und Inhalte
3. – Publikumsmeinungen und Faktenchecker
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Organisation und Ablauf
Die Idee zur Veranstaltung kam ursprünglich von einigen Schülern, welche dann mithilfe einiger Politiklehrer eine Truppe an politikinteressierten Oberstuflern zusammenstellten, die sich bereit erklärten, das Projekt in die Hand zu nehmen. Auf Anfrage sendeten alle Parteien, die aktuell im Bundestag vertreten sind, einen Vertreter, jedoch war nur bei vier von sechs Parteien der tatsächliche Wahlkandidat anwesend (auf dem Titelbild von links nach rechts zu sehen): Uwe Meyer (Die Linke), Alexander Bartz (SPD), Marius Meyer (Die Grünen) und Paul Lanwer (FDP). Währenddessen sprachen Jann-Christian Hegewald (CDU) und Sebastian Niemeier (AfD) stellvertretend für die tatsächlichen Kandidaten ihrer jeweiligen Parteien.
Eröffnet wurde die Diskussion von Herrn Stelter, dem Schulleiter, der unter anderem auf die am vorigen Tag verteilten Plakate und Flyer einging, die sich gegen eine Bühne für die AfD am AMG einsetzten und berichtete, dass die Bundespolizei über die Aktion informiert wurde. Zugleich äußerte er sich positiv über das politische Interesse von Schülern in diesem Kontext. Zum ersten Mal kamen die Politiker in der Vorstellungsrunde zu Wort, in der sie aufgefordert wurden, ein paar Fakten über sich selbst, wie zum Beispiel ihr Lieblingstier, zu teilen. Daraufhin wurde die Diskussion mit einer Schnellfragerunde eröffnet. All die Politiker erhielten kleine Tafeln mit einem nach oben beziehungsweise nach unten deutenden Daumen, mit denen sie dann ihre Antworten auf einige Ja-Nein-Fragen zu verschiedensten Themen veranschaulichen konnten. Die Fragerunde zeigte bereits die starke Meinungsvielfalt unter den Parteien, bevor es mit dem tatsächlichen Dialog losging. Nach dem intensiven, aber größtenteils gemäßigten Schlagabtausch über die Hauptthemen ging es über in Fragen aus dem Publikum, bevor jedem Politiker in einer Schlussrunde noch 30 Sekunden gegeben wurde, ein abschließendes Fazit zum Ausdruck zu bringen.

Die beiden Moderatorinnen, Jette Lübbers und Jannika Hüne aus dem Jahrgang 13, schlugen sich tapfer. Trotz des verhältnismäßig begrenzten Zeitrahmens konnten sie ein gleichmäßiges Tempo in der Diskussion aufrechterhalten und alle angesprochenen Themen in einem angemessenen Ausmaß ausführen. Ihre Durchsetzungsfähigkeit wurde einige Male auf die Probe gestellt, dennoch gelang es ihnen zweifellos, die Politiker zu mäßigen, wenn es sein musste. Auch wenn alle Politiker hin und wieder gerne ein wenig weiter ausholen wollten, als die Zeit es erlaubte, schien ein Unterbrechen am häufigsten bei den Vertretern von der Linken sowie der AfD nötig zu sein.Letzterer bestand in einem Fall nachdrücklich auf mehr Redezeit und löste beinahe einen Konflikt mit den Moderatorinnen aus, die jedoch konsequent blieben und ein Fortschreiten der Diskussion ermöglichten.
Themen und Inhalte
Als Anreiz zur Diskussion warfen die Moderatorinnen Themen in den Raum, zu denen die Vertreter die Position ihrer Parteien erläutern konnten. Schon in der Schnellfragerunde taten sich schwerwiegende Meinungsdiskrepanzen zwischen den Politikern auf, da auch kontroversere Themen wie beispielsweise Abtreibung angesprochen wurden. Auch Trumps Sieg in den Vereinigten Staaten, eine Herabsenkung des Wahlalters auf 16 Jahre und Tempolimits auf deutschen Autobahnen wurden behandelt.
In der darauffolgenden Diskussionsrunde wurde deutlich ausführlicher auf politisch und wirtschaftlich relevante Themen in Deutschland eingegangen, fokussiert wurde sich aber vor allem auf die Schuldenbremse, den Klimawandel und -schutz, Migration und erneuerbare Energien. Auch weltpolitische Themen wie die Lage des syrischen Staates nach dem Sturz Assads und Trumps Forderung an die NATO-Länder, 5% des eigenen BIPs für Verteidigungsmaßnahmen auszugeben, kamen nicht unbesprochen davon.
Abschließend blieb Zeit für einige Publikumsfragen, welche sich um den finanziellen Status der Deutschen Bahn, Abtreibungen, Lieferung des Taurus-Marschflugkörpers und Carsten Linnemanns Vorschlag, ein Register für psychisch Kranke einzuführen, drehten.
Die Positionen der Parteien über diese Themen wurden in den Antworten der Vertreter meistens klar dargestellt. So äußerten sich die AfD und CDU z. B. deutlich gegen Lockerungsmaßnahmen bei Abtreibungen, begründet mit dem „Schutz des ungeborenen Lebens“.
Viel wurde auch über erneuerbare Energien diskutiert, für deren Ausbau sich vor allem die Vertreter der Linken, den Grünen und von der SPD einsetzten. Die CDU stellte sich hingegen als technologieoffen dar und möchte vor allem mit Innovation in der Energiebranche punkten, die AfD jedoch sieht sich in diesem Feld sehr konservativ und appellierte für eine Rückkehr zur Atomkraft.
Bei Trumps Vorschlag, 5 % des BIPs der einzelnen NATO-Staaten für Verteidigung auszugeben, konnten sich alle Parteivertreter jedoch darauf einigen, dass 5% deutlich zu hoch gegriffen sei. Die CDU beispielsweise empfand eher, dass sich die Quote in Richtung 3,5 % bewegen sollte, die Linke strebt einen Wert von 3 % an. Seitens der AfD wurde die Aussage getätigt, dass Deutschland nur Munition für 2-3 Tage hätte, wenn es zu einem Angriff kommen würde, weshalb auch sie für Verteidigungsausgaben von mehr als 2 % des BIPs stehen würde.
Auf die Zuschauerfrage zum aktuellen Status der Bahn antwortete der Vertreter der Grünen recht defensiv – es wurde zugegeben, dass die Bahn tatsächlich finanziell sehr ausgereizt sei, jedoch würde dieses Problem seinen Ursprung nicht in den Maßnahmen der Ampelregierung finden, doch eher in der vorherigen Regierung. Eine Verkehrswende sei dringend nötig, sodass mehr Züge und mehr Busse fahren könnten. Die FDP äußerte einen ganz anderen Lösungsvorschlag, der darauf abzielt, das Schienennetzwerk zwar in den Händen des Staats zu lassen, die Züge selbst jedoch dem freien Markt zu überlassen, um für mehr Wettbewerb zu sorgen.
Eindeutig festzustellen war auch die Meinung der SPD im Bezug auf die Frage, warum Taurus-Lieferungen in die Ukraine konsequent abgelehnt werden. Der Taurus sei nämlich ein Marschflugkörper, der im Vergleich zu anderen bereits gelieferten Waffen ein maßgeblich anderes Kaliber darstellen würde und man um die Reaktion des Kremls besorgt sei.
Als abschließende Worte formulierten die meisten Kandidaten sehr ähnliche Worte – einen Aufruf, wählen zu gehen, was in Anbetracht der relativ hohen Wahlbeteiligung bei der diesjährigen Bundestagswahl auch tatsächlich eintrat. Die AfD betonte abschließend, dass es wichtig sei, sich mit den Wahlprogrammen aller Parteien auseinanderzusetzen, um sich ein eigenes Bild zu machen, während die SPD positiv hervorhob, dass die Jugend ein so großes politisches Interesse zeigt.
Publikumsmeinungen und Faktenchecker
Verkörpert wird dies z.B. durch das Faktenchecker-Team, denn um in einer politischen Landschaft, die immer mehr von Fake News geprägt ist, eine wahrheitsgetreue und informative Veranstaltung zu ermöglichen, haben sich Ann-Kathrin Deeken, Nike Dumstorf, Kirsten Krümpelbeck und Anton Behrens ordentlich ins Zeug gelegt. Auch wenn es laut Berichten aus dem Team während der Diskussion nicht gerade entspannt war, hat sich die harte Arbeit gelohnt. Dutzende Aussagen der Diskutanten sind anhand von Wahlprogrammen, Zitaten anderer Politiker und Seiten wie Correctiv verifiziert worden.
Im Austausch mit dem Publikum ließ sich eine sehr positive Resonanz zu der Veranstaltung feststellen. Sowohl Moderation als auch Aufbau sind positiv wahrgenommen und gelobt worden, wobei die Politiker sehr unterschiedliche Eindrücke hinterließen. Marius Meyer von den Grünen zum Beispiel schien laut Publikumsaussagen teils „am schwächeln“ zu sein und habe nur „oberflächliche Punkte“ geliefert. Auch habe Sebastian Niemeier der AfD den Anschein erweckt, wenig Fachwissen zu haben beziehungsweise schien nicht die Meinung seiner Partei, sondern eher seine persönliche zu vertreten, während er sich in eine „Opferrolle“ begeben habe. Die Vertreter der restlichen Parteien würden ihn „argumentativ ziemlich alt aussehen lassen“. Ebenso erfuhr Uwe Meyer von den Linken Kritik, unter dem Punkt, auch er habe seine Partei „nicht genug verkaufen“ können. Alles in allem konnten die Demokraten jedoch hier und da gut bei den Schülern punkten und einen guten Eindruck machen, darunter auch Paul Lanwer der FDP, der zwar Lob für seine Überzeugungskraft kassieren konnte, dennoch habe sich teilweise eine „parteitypische Reichenpolitik“ in seiner Argumentation bemerkbar gemacht.

Dass eine so erstklassige Veranstaltung von Schülern des AMGs organisiert wurde, ist keine Selbstverständlichkeit und die durchdachte Organisation ließ die Podiumsdiskussion zum vollen Erfolg werden. Die Moderatorinnen, Faktenchecker und alle weiteren beteiligten Schüler überzeugten mit Professionalität und schafften ein Ereignis mit Mehrwert, das den Erstwählern und Erstwählerinnen der 12. Und 13. Klassen bei der Wahlentscheidung helfen konnte.